Gleichgewicht des Schreckens
Zu Gleichgewicht des Schreckens (GMT Games von Ananda Gupta und Jason Matthews, 2005 (2011 im Deutschen von UGG)) habe ich auch inzwischen eine besondere Verbindung. Wohl neben Pax Pamir für mich der Einstieg in historisch basierte Spiele. Als meine Frau und ich es zu Beginn unserer Brettspielkarriere getestet hatten, weil wir da beide thematisch interessiert waren, haben wir die Partie nach rund 3h frustriert abgebrochen und uns gefragt was das bitte für ein Spiel ist.
Es dauerte rund ein Jahr, bis ich es dann erneut gekauft hatte, weil ich nicht glauben wollte, dass sich unser Ersteindruck bestätigt. Zu unserem Glück schlug es dann ein wie eine Bombe. Inzwischen haben wir hier viele Partien gespielt und es ist wohl das emotionalste Zwei-Personen-Spiel für uns. Bei keinem anderen Spiel kochen die Emotionen manchmal so hoch wie hier. Mit etwas Übung lässt es sich auch super „fluffig“ runterspielen und ist damit trotz der Länge und Komplexität für uns zu einem regelmäßigen Event geworden. Zwischenzeitlich hatten wir auch ähnliche Titel wie Europe in Turmoil oder auch ein Labyrinth gespielt, aber keines ist in Kombination aus Komplexität, Spiellänge und Zugänglichkeit bei uns so beliebt wie Gleichgewicht des Schreckens (im Original: Twilight Struggle).
Der Begriff „Twilight Struggle“ stammt aus der damaligen Antrittsrede von J.F. Kennedy 1961.
“Now the trumpet summons us again, not as a call to bear arms, though arms we need; not as a call to battle, though embattled we are – but a call to bear the burden of a long twilight struggle …” -J.F. Kennedy, 20. Januar 1961
Das Spiel gehört zu den CDGs – den Card Driven Games – und ist daher, wie der Name sagt, hauptsächlich kartengesteuert (mit Karten kriegt man mich immer, weil ich finde, dass darüber am besten komplexere Aktionen + eine Menge Thema transportiert werden kann). Es gilt als eine Art „Grundstein“ in der Kategorie der CDGs.
Gleichgewicht des Schreckens geht über maximal 10 Züge, in denen die Spieler jeweils 6-7 Aktionsrunden spielen. Wenn man dran ist, spielt man eine seiner Handkarten, entweder für das Event, oder für die Aktionspunkte, um verschiedene Optionen zu haben. Jede Karte ist dabei mir selbst oder dem Gegner zugeordnet. Spiele ich eine Karte des Gegners, findet das Event auf jeden Fall statt. So entsteht ein ewiges Tauziehen und im Grunde versucht man gegnerische Karten so zu spielen, dass sie dem anderen möglichst wenig nutzen.
Thematische Verknüpfung
In Gleichgewicht des Schreckens spielen wir den kalten Krieg von 1945-1989 nach. Prägende Ereignisse innerhalb dieser Zeit finden in Form der Events auf den Karten statt (Gründung der NATO, Papst Johannes Paul II wird gewählt, Kubakrise, usw…). Wie schon der kalte Krieg, ist auch Gleichgewicht des Schreckens ein ewiges Tauziehen der beiden Parteien, der UDSSR und den USA. Wir haben keine klassische Punkteleiste, sondern teilen uns eine mit dem Kontrahenten. Die 0 steht hierbei in der Mitte und in beide Richtungen können 20 Punkte erreicht werden. Wenn ich punkte, bekommt der Gegner diese abgezogen. Thematische „Nebenschauplätze“ sind z.B. die Leiste zum Wettlauf im All, über die Siegpunkte gemacht werden können, sowie die DEFCON-Status Leiste, über die im schlimmsten Fall ein Atomkrieg ausgelöst werden kann, was natürlich beide Parteien vermeiden wollen. Mechanisch möchten wir über Events oder Aktionen unseren Einfluss in den verschiedenen Regionen ausweiten.

Spielbericht
Das Spiel spiele ich normalerweise meist gegen meine Frau, da wir circa auf einem Level sind und die Kenntnis über die Karten hier schon sehr essenziell ist. In dieser Runde hatte ich es aber einem Freund aus unserem Brettspielverein erklärt, der großes Interesse daran hatte.

Während ich die UDSSR spielte, übernahm er den amerikanischen Part. Recht schnell wurde durch mein unbedachtes (bzw. eher erzwungenes) handeln die NATO gegründet und die USA konnte zu Beginn standesgemäß besonders den Einfluss in Westeuropa ausbauen. Als Spieler der UDSSR will man anfangs in Europa eigentlich eher Schadensbegrenzung betreiben und legt seinen Fokus mehr auf Asien, welches a) durch die Wertungskarte im „frühen Krieg“ schon wichtig ist und b) über die sogenannte China-Karte gut zu beeinflussen ist. Ich hatte lange Zeit die Fidel – Karte auf der Hand, wollte sie aber erst dann spielen, wenn ich damit auch Einfluss vom Gegenspieler abräumen kann… Als UDSSR in Mittelamerika Fuß zu fassen ist nicht unwichtig…

Im frühen Krieg habe ich mich aber wie gesagt erst einmal auf Asien konzentriert und in Europa versucht in etwa die Waage zu halten. Durch einige Putschversuche auf beiden Seiten weitete sich der Konflikt schnell aus. Auch im Wettlauf im All konnte die UDSSR schnell punkten und erste Vorbereitungen für die Mondlandung treffen. So konnte ich mir einen kleinen Puffer erspielen.

Im mittleren Krieg begannen dann die USA in Asien Fuß zu fassen und eroberten gerade im nahen Osten einige Länder, die sogar noch „angrenzend zur feindlichen Supermacht“ waren, was Bonuspunkte bringt. Die beliebten Küchendebatten konnten leider nicht umgesetzt werden, da die UDSSR zu diesem Zeitpunkt mehr Schlachtfeldländer unter ihren Fittichen hatte. Der Kampf um den Wettlauf im All geriet unterdessen etwas ins Stocken, scheinbar gab es hier Würfelmanipulation auf beiden Seiten…
Relativ unbehelligt konnte ich im mittleren Krieg den Einfluss in Afrika massiv ausweiten, was mir in der ersten Wertung Punkte für die Vorherrschaft auf diesem Kontinent einbrachte. Derweil versuchten die USA in Mittel- und Südamerika ihr Glück, hatten durch die Kubakrise aber auch die UDSSR auf den Plan gerufen.

Der UDSSR gelang es so die Überhand zu gewinnen und machte ordentlich Druck, für die entscheidenden Punkte hat es aber bislang nicht gereicht. In Zug 8 hatte ich dann die „Wargames“-Karte auf der Hand, freute mich wie ein Schneekönig, da ich so noch nie gewonnen hatte und wollte nun das Spiel so beenden. Ich hatte die Rechnung ohne die Schlagzeilenphase gemacht, in der jeder Spieler vor den eigentlichen Runden eine Karte spielen kann und das Ereignis darauf ausgeführt wird.
So kam es wie es kommen musste. Aus den acht verbliebenen Handkarten durfte die USA eine Karte zufällig ziehen. Natürlich wurde mir damit die „Wargames“-Karte genommen, was einen schnellen Sieg somit wieder in die Ferne rücken ließ….andernfalls wäre das Spiel wohl nach zwei Aktionen vorbei gewesen.
Die USA versuchte nun etwas Schadensbegrenzung zu betreiben, kam aber dadurch, dass nahezu alle Wertungskarten im Spiel sein konnten, nicht mehr überall dagegen an. Letztendlich konnte die UDSSR den Wettlauf im All für sich entscheiden und darüber in Zug 8 die entscheidenden Punkte zum Sieg machen.

Eine sehr schöne Partie, die natürlich etwas ungleich verteilt war, weil man einen starken Vorteil hat, wenn man weiß was für Karten im Spiel sind. Trotzdem hat es uns beiden viel Spaß gemacht und ich denke ich habe einen weiteren Spieler „angesteckt“. Wenn die Partie ausgeglichen ist, spielen wir meist bis zum Ende von Runde 10 und das Spiel wird dann meist sehr knapp über die finalen Wertungen entschieden. Spannung bis zum letzten Land quasi.
Inzwischen komme ich bei Gleichgewicht des Schreckens auf „bescheidene“ 12 Partien und für mich ist es zurecht immer noch weit vorn in der BGG Liste. Mit einer durchschnittlichen Zeit von 3:04h ist es zwar schon ein langes Spiel, aber mit etwas Übung wirklich „zügig“ gespielt und es ermöglicht durch die eigentlich schlanken Regeln ein spielen ohne Regeln nachschlagen zu müssen. Das macht es bei uns zu einem Dauerbrenner, der jedes Jahr häufiger auf den Tisch kommt. Meine Frau und ich haben das Spiel beide jeweils 5x gewonnen…Man kann also schon von einem Fight sprechen, auch wenn der Sieg an sich für mich nicht im Vordergrund steht.



Ein Kommentar
Deine Frau
Bei mir steht der Sieg schon im Vordergrund.
LG Deine Frau